Steigende Energiepreise sind ein weltweites Phänomen und stellen große Teile der globalen Wirtschaft sowie unsere Gesellschaften vor weitere Hausforderungen. Erste Antworten und Erklärungsansätze wurden in Medien und Wissenschaft diskutiert und analysiert. Die Situation ist komplex und Lösungsansätze werden entsprechend divers und heterogen sein müssen.  

Wie aber ist die Lage in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt?

Mit Blick auf die Lage in der Volksrepublik China beleuchten unsere Experten der H&A Shanghai die Situation vor Ort und analysieren mögliche Ursachen für die Stromknappheit der letzten Wochen und Monate im Reich der Mitte. Was ist die mögliche langfristige chinesische Antwort und welche Auswirkungen können auf Preise und Inflation erwartet werden?

Warum gibt es in China eine Stromknappheit und würde dies zu einer weit verbreiteten Inflation führen? 

Ein Beitrag  von Antony Cheng, H&A Shanghai 

Die Stromknappheit bzw. die staatlichen Einschränkungen der Stromnutzung begann bereits im Juli diesen Jahres. Im September haben einige Provinzen wie Guangdong von den Herstellern verlangt, vier bis fünf Tage in der Woche ihren Betrieb einzustellen. Bislang haben mehr als 20 Provinzen eine eingeschränkte Nutzung von Strom angekündigt. Wir haben die Gründe dafür im Folgenden für Sie zusammengefasst:

Entschlossenheit bei der Erreichung der Energieziele bis zum Jahresende

Wie im 5- Jahresplan 2021 - 2025 festgelegt, strebt China eine Reduzierung der Energieintensität (Energieverbrauch pro BIP-Einheit) um 13,5 % an. Für 2021 wurde das Ziel im 1. Halbjahr 2021 aufgrund des exportgetriebenen industriellen Booms inmitten der Covid-19-Pandemie verfehlt. Da die ökologische Nachhaltigkeit eine der Hauptprioritäten bei der gegenwärtigen Neuregelung ist, haben die Behörden in jüngster Zeit eine aggressive Aufholjagd eingeleitet - typisch für die Anfangsphase von Chinas Regulierungszyklen.

Rückgang Kohleproduktion und -import fiel mit Wasser-Niedrigstand zusammen:

Strenge Kapazitätskontrollen im Kohlebergbau seit 2016 und ein Rückgang der Kohleimporte in diesem Jahr haben die thermische Stromerzeugung belastet, während das Angebot an Wasserkraft aufgrund der begrenzten Niederschläge in den wasserreichen südlichen Regionen nicht ausreichte, um die Lücke zu schließen. Bspw. ging die durchschnittliche Wasserkrafterzeugung im Vergleich Oktober 2020 zu Oktober 2021 um 2,3 % zurück, während der Gesamtstromverbrauch im Jahresvergleich um 10,0 % gestiegen ist.

In einer im August veröffentlichten Liste wurden die Provinzen genannt, die die Zielvorgaben nicht erreicht haben:

Die Liste nennt die einzelnen Provinzen und den Grad der Warnsignale. Die Liste erregte die volle Aufmerksamkeit der lokalen Regierungen. Auf die Provinzen, die "Alarmsignale" erhielten, entfielen 70 % der Industrieproduktion Chinas in 2020.

Was sind die Folgen? 

Offensichtlich ist hiervon die Industrieproduktion betroffen - insbesondere in den energieverbrauchenden Sektoren wie Stahl, Aluminium, Petrochemie, Bauwesen, usw. Der Markt rechnet für das 4. Quartal 2021 mit einer annualisierten Auswirkung von etwa 0,4-0,5 % auf das BIP. Andererseits ist das Wachstum des Erzeugerpreisindex (PPI) im September auf 10,7 % gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend zumindest über den November noch weiter anhalten wird. Obwohl es auf den ersten Blick naheliegend erscheinen mag, dass der Verbraucherpreisindex (CPI) aufgrund der Entwicklung bei den Erzeugerpreisen unter Druck geraten wird, bezweifeln wir dies aufgrund folgender Rahmendaten:

  • Stabile Ex-Faktor-Preise für Konsumgüter:

Der PPI besteht zu 75% aus Industriematerialien (z.B. Kohle, Chemikalien, Erdgas) und zu 25% aus unfertigen Konsumgütern. Erstere stiegen im Oktober im Jahresvergleich um
13,5 %, während letztere nur um 0,6 % zunahmen. Dies deutet darauf hin, dass die steigenden Kosten die Verbraucherinflation aktuell noch nicht anheizen. Historisch gesehen können sich CPI und PPI sehr unterschiedlich verhalten, und es gibt keine Anzeichen für einen stabilen kausalen Zusammenhang.

  • Lebensmittel sind die größte Komponente des CPI und befinden sich derzeit eher in einem Abwärtstrend:

Preise für Lebensmittel, Zigaretten und Alkohol sind derzeit eher stabil bis leicht rückläufig und haben im Verbraucherpreisindex ein Gewicht von insgesamt 29%, so die Meldung vom statistischen Amt im Februar diesen Jahres. Wir behalten die Entwicklung im Auge, da es erste Indikationen – wie beispielsweise die Angebots- und Nachfragesituation am Markt für Schweinefleisch – für eine zukünftige Trendumkehr gibt

  • Nach wie vor schwache Endnachfrage:

Die schlechte Stimmung im Bausektor und das Wiederaufleben der Covid-Krise in einigen Teilen Chinas kombiniert mit einem schleppenden Einkommenswachstum haben in der Summe derzeit eher einen deflationären Einfluss auf die Verbraucherpreise in China. Zusätzlich ist die Geldpolitik der chinesischen Zentralbank im Jahr 2021 relativ restriktiv, was ebenfalls eine weit verbreitete Verbraucherpreisinflation verhindert.

Ausblick: Das Problem wird entschärft

Es gibt Anzeichen für die Wiederaufnahme der Kohleeinfuhr aus Australien, die seit Oktober 2020 eingestellt wurde. Der australische Handelsminister erklärte am 26. Oktober, dass man bereit sei, den Export von Kohle nach China wieder aufzunehmen. Entsprechende Lagerbestände seien auf jeden Fall vorhanden.

Seit Juli dürfen 8 Provinzen ihre Strompreise im Rahmen des derzeitigen Mechanismus um bis zu 10 % anheben. Einige Provinzen haben ein "Floating Scheme" eingeführt, dass es ihnen ermöglichen könnte, den Strompreis stärker als nach dem derzeitigen Mechanismus anzuheben. Dies könnte zwar zusätzlichen Druck auf die Erzeugerkosten ausüben, jedoch haben die Energieversorgungsunternehmen einen größeren Anreiz mehr Strom zu liefern.

Schließlich informierte Premierminister Li Keqiang am 11. Oktober dieses Jahrs die Märkte, dass er alle drastischen Kürzungen der Stromversorgung und die Co2-Reduktion im "Kampagnenstil" korrigieren wolle. Dies stellt die erste und stärkste Gegenreaktion eines Regierungsvertreters, seit dem Auftreten des Problems, dar.

Einige grundlegende Herausforderungen im Energiesektor bleiben allerdings bestehen: 

 

  • Über 70 % der Stromerzeugung im September 2021 entfallen auf die Kohleverbrennung,
    14 % auf die Wasserkraft und 7 % auf die Windenergie. Solange die grüne Agenda unverändert bleibt, werden Stromerzeugung und -nutzung Einschränkungen unterliegen.
  • Qualitativ hochwertige Kohle ist von Importen abhängig, die von internationalen Abschlüssen oder sogar politischen Faktoren abhängen.
  • China hat sich verpflichtet, die Energieeffizienz zu verbessern und seine grünen Ziele zu erreichen. Sie werden auf den G20-Konferenzen in diesem Jahr erneut bekräftigt.

Quelle für alle Zahlenangaben: Nationales Statistikamt China, Reuters-Berichte, Topsperity Securities

H&A Shanghai Investment & Research Team 

Das vierköpfige Team verfügt über 44 Jahre Erfahrung im Analysten- und Research-Segment. 
Finden Sie hier die Details zum Team. 

 

Diese Marketingmitteilung im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes wird ausschließlich zu Informationszwecken zur Verfügung gestellt und ist nicht als persönliche Anlageberatung oder Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines Finanzinstruments oder zur Übernahme einer Anlagestrategie zu verstehen. Die in diesem Dokument enthaltenen Meinungen und Aussagen geben die aktuelle Einschätzung zum Erscheinungsdatum wieder. Die vorliegenden Informationen stellen keine vollständige Analyse aller wesentlichen Fakten in Bezug auf ein Land, eine Region oder einen Markt dar.


Sofern Aussagen über Marktentwicklungen, Renditen, Kursgewinne oder sonstige Vermögenszuwächse sowie Risikokennziffern getätigt werden, stellen diese lediglich Prognosen dar, für deren Eintritt wir keine Haftung übernehmen. Insbesondere sind frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Vermögenswerte können sowohl steigen, als auch fallen. Alle Angaben wurden sorgfältig zusammengestellt; teilweise unter Rückgriff auf Informationen Dritter. Einzelne Angaben können sich insbesondere durch Zeitablauf, infolge von gesetzlichen Änderungen, aktueller Entwicklungen der Märkte ggf. auch kurzfristig als nicht mehr oder nicht mehr vollumfänglich zutreffend erweisen und sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität sämtlicher Angaben wird daher keine Gewähr übernommen. Die Angaben gehen von unserer Beurteilung der gegenwärtigen Rechts- und Steuerlage aus. Soweit steuerliche oder rechtliche Belange berührt werden, sollten diese vom Adressaten mit seinem Steuerberater bzw. Rechtsanwalt erörtert werden. Anlagen in Finanzinstrumente sind sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden. Der Umgang mit Interessenskonflikten in der HAGIM ist unter www.ha-gim.com/rechtliche-hinweiserechtliche-hinweise im Internet veröffentlicht. Die enthaltenen Informationen richten sich nur an Professionelle Kunden bzw. Geeignete Gegenparteien. Dieses Informationsdokument richtet sich weder an US-Bürger noch an Personen mit ständigem Wohnsitz in den USA, noch darf es in den USA verbreitet werden.

Share article